Das Maikaal Projekt - Beispiel für nachhaltige Baumwollherstellung und -verarbeitung


© agenda-fototext.de

Die zweistündige Einheit „Biobaumwolle aus Indien“ habe ich in einer  8. Klasse unmittelbar im Anschluss an das Thema „Wasserkonflikte auf der Erde“ behandelt. Am Beispiel der Konfliktregionen Naher Osten und Südostanatolien wurde die Wasserproblematik unter Anknüpfung an tagespolitische Ereignisse (Naher Osten) erarbeitet. Die Beantwortung der folgenden Leitfragen führte zur Vertiefung der ökologischen und sozialen Folgen der beiden Großprojekte am Beispiel Biobaumwolle:
1. Wie kann ich das Thema „Bewässerungsfeldbau“ in die Lebenswelt der Schülerinnen übertragen?
2. Gibt es ein positives Entwicklungsbeispiel, das die Perspektiven Umwelt und Entwicklung bzw. lokale und globale Fragestellungen verknüpft?
Lebensweltlicher Bezug des Themas „Folgen des Bewässerungsfeldbaus“
Ein Teil des neu geschaffenen Bewässerungslandes beim Südostanatolien-Projekt wird für die Produktion von Baumwolle verwendet, die nach Weiterverarbeitung und Konfektionierung in unseren Läden verkauft wird. Das Thema Mode ist für die Jugendlichen in der Phase der beginnenden Identitätsentwicklung ein bedeutendes Thema, wie nebenstehende Karikatur verdeutlicht. Wo Baumwolle großflächig angebaut wird, findet man meist besonders krasse Beispiele für nicht nachhaltige Entwicklungsprojekte. Der hohe Pestizideinsatz und der extreme Wasserverbrauch hat in vielen Bereichen der Erde ökologische Katastrophen erzeugt (z.B. Aralsee in Usbekistan/Kasachstan, Gezira im Sudan). Die Unterrichtseinheit sollte zum Ziel haben, die Zusammenhänge zwischen dem Konsumverhalten der Jugendlichen und dem Raubbau an der Natur bzw. an den Menschen, die in der Baumwollproduktion beschäftigt sind, herzustellen.

Quelle: Misereor 1998: 62
Auswahl eines geeigneten positiven Entwicklungsbeispiels
Bei der Besprechung der beiden Großprojekte und deren Auswirkungen auf Mensch und Natur äußerten die Schüler den Wunsch, ein positives Entwicklungsprojekt zu behandeln. Diese Forderung stimmt mit den Vorschlägen von HEMMER (siehe vorherige Seite) überein, die ich zur Auswahl eines Projektbeispiels heranzog.
Ich entschied mich für das Maikaal-Projekt in Zentralindien. Es begann 1992 auf Initiative der Schweizer Garnhandelsfirma Remei AG. Am Narmada-Fluss in der Region um Indore wurden Bauern für die Umstellung zur biologischen Baumwollproduktion ausgebildet. Bereits im Jahr 1993/94 beteiligten sich 223 Betriebe; heute sind es 1123 Bauernfamilien, die auf 3264 ha Bio-Baumwolle produzieren (Info: Remei AG vom 22.11.2000). Der Verkauf der Bio-Baumwolle läuft zu 70% über die Schweizer Supermarktkette Coop. Aber auch in Deutschland kann man T-Shirts kaufen, die Baumwolle von Maikaal-Fibres enthalten (z.B. bei Waschbär- und Otto-Versand).
 
Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit der Baumwollproduktion können folgende Punkte betrachtet werden:
 

1. Mischkulturen und Fruchtwechsel: 
Die landwirtschaftliche Nutzfläche ist klein parzelliert. Es wechseln Baumwollfelder und z.B. Maisfelder. An den Feldrändern wachsen Bäume und Büsche. Die Bauern wenden eine Fruchtwechselwirtschaft an, d.h. die Bestellung der Felder wechselt im Jahresverlauf. All diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass eine einseitige Auslaugung der Böden verhindert wird und dass sich Schädlinge nicht so schnell ausbreiten können, wie in einer reinen Monokultur.

Foto: Remei AG
2. Einsatz der Nutztiere: 
Die Maikaal-Bauern bestellen ihre Felder per Hand. Schwerere Arbeiten werden mit Ochsengespannen erledigt. Die Rinder liefern gleichzeitig den Dünger für die Felder und für die Betreibung einer Biogasanlage. Das Pflücken von Hand erhöht die Qualität der Baumwolle, da nur reife Kapseln geerntet werden.
© agenda-fototext.de
3. biologische Schädlingsbekämpfung:
Mit Feromonfallen werden Schädlinge eingefangen (weibliche Sexualduftstoffe locken die Männchen in die Falle). Mit dem Öl, das aus den heimischen Neem-Bäumen gewonnen wird, rückt man dem Baumwollkapselkäfer zu Leibe. Die Maikaal-Spinnerei verteilt kostenlos Setzlinge für die Neem-Bäume an die Bauern und trägt so zur Wiederaufforstung der Region bei. Zudem sorgt die Organisation für die Ausbildung der Bauern. Ein Netz von Agrarberatern steht Ihnen zur Verfügung. Auf chemische Dünge-, Pflanzenschutz- und Entlaubungsmittel kann komplett verzichtet werden.
© agenda-fototext.de
4. Regenbewässerung:
Der durch den Monsun bedingte Wechsel der Jahresniederschläge bietet ideale Bedingungen für den Baumwollanbau. Ein Großteil der Maikaal-Felder kommt ohne zusätzliche Bewässerung aus. Die Baumwollpflanzen, die rund 200 Tage von der Aussaat bis zur Reife benötigen, werden zu Beginn des feuchten Sommermonsuns (Juni/Juli) eingepflanzt (vgl. Klimadiagramm Bhopal). In dieser frühen Wachstumsphase benötigen die Pflanzen ausreichend Wasser. In der Zeit kurz vor der Ernte (Dezember/Januar) benötigt die Baumwollpflanze ein trockenes Klima. Diese Anbauperiode fällt in die Zeit des trockenen Wintermonsuns.
Quelle: 
Indien-Atlas S.2.
In Geographische 
Rundschau 3/1987
5. soziale Absicherung der Bauern:
Die Ernteeinbußen der Bauern durch den Rückgang der Erträge um etwa 15% bei der Umstellung auf den Bio-Anbau kann die Spinnerei durch einen Mehrpreis von 15-25% (je nach Grad der Umstellung) ausgleichen. Den Bauern bleibt am Ende mehr Geld in der Kasse, da sie weniger für Schädlingsbekämpfung und Düngung ausgeben. Langfristige Lieferverträge sichern das Einkommen der Bauern, ein entscheidender Vorteil gegenüber den konventionell wirtschaftenden Betrieben, da diese von der Nachfrage am Weltmarkt abhängen. Die Maikaal-Bauern sind in einer Art Genossenschaft zusammengeschlossen und besitzen Mitspracherecht bei allen Entscheidungen.
© agenda-fototext.de
6. nachhaltige Weiterverarbeitung der Baumwolle
Soziale und ökologische Standards werden auch bei der Weiterverarbeitung der Baumwolle eingehalten:
  • keine Chlorbleiche
  • Färbung mit schwermetallfreien Farben
  • keine Formaldehydzusätze, sondern mechanische Veredelung
  • Abwasserbehandlung in den Fertigungsbetrieben
  • anständige Arbeitsbedingungen, keine Kinderarbeit
  • ortsnahe Produktion
© agenda-fototext.de
7. Vertiefungsmöglichkeit: Errichtung des Maheshwar-Staudamm vernichtet Felder der Maikaal-Bauern
Das Maikaal-Projekt bietet eine weitere Vertiefungsmöglichkeit, die Bezüge zur Staudammproblematik in Südostanatolien herstellen könnte. Ein Teil der am Projekt beteiligten Bauern wird durch einen geplanten Staudamm am Narmada-Fluss in der Existenz bedroht. Das Projekt soll mit Beteiligung von Siemens und der HypoVereinsbank verwirklicht werden. Sowohl in Indien als auch in Deutschland gab es heftige Proteste gegen den Maheshwar-Staudamm. Ursprünglich sollte die Finanzierung mit Hilfe von Hermesbürgschaften aus Deutschland abgesichert werden. Ein entsprechender Antrag wurde von Siemens und der HypoVereinsbank allerdings am 24. August 2000 zurückgezogen. Eine vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Auftrag gegebene Studie hatte die ökologischen und sozialen Folgen des Projektes angeprangert und damit eine Ablehnung des Antrages in Aussicht gestellt. Aufgrund der Komplexität der Thematik halte ich diese Vertiefungsmöglichkeit in einer 8. Klasse für nicht sinnvoll. In einem Oberstufenkurs würde sich damit allerdings eine aktuelle und brisante Weiterführung des Themas anbieten. 

 
Einbindung des Themas in den Verlauf der Unterrichtseinheit
Bereits bei der Besprechung der ökologischen und sozialen Folgen des Südostanatolien-Projektes bin ich verstärkt auf den Baumwollanbau eingegangen. Die Schüler sollten erkennen, dass die konventionell hergestellte Baumwolle in unseren Läden landet. Zur weiteren Vertiefung der ökologischen und sozialen Folgen der textilen Produktkette habe ich den Schülerinnen ein Arbeitsblatt ausgeteilt, dass ihnen die globalen Verflechtungen der Textilindustrie deutlich machte.
Die Auswertung erfolgte an einer Wandkarte (Weltkarte), die im Klassenraum hing. Mit einer Schnur wurde der lange Weg des T-Shirts von Kasachstan (Anbau) über die Türkei (Spinnerei), Taiwan (Weberei), Frankreich (Färberei), Bangladesch (Näherei) bis hin nach Deutschland (Verkauf) auf der Karte markiert.
Arbeitsblatt 1
Die Behandlung des Maikaal-Projektes: Bauer Jirati steht im Mittelpunkt
Der Einstieg in das Maikaal-Projekt erfolgte im Unterricht über ein zweites Arbeitsblatt (Weltreise eines Maikaal T-Shirts) als vorbereitende Hausaufgabe und einen kurzen Filmausschnitt aus dem Video "Geheimakte T-Shirt - Die Schweizer Öko-Mode". Der Film ist einer Kriminalgeschichte nachempfunden. Im Büro eines fiktiven deutschen Textilherstellers findet ein Gespräch zwischen dem Manager des Unternehmens und dem Detektiv Cotton statt. Cotton wird beauftragt, nach Indien zu fahren und Bauer Jirati aufzusuchen. Er soll mögliche Schwachstellen des Maikaal-Projektes aufdecken. Der Film ist zu beziehen bei der Ton- und Bildstelle Frankfurt unter der Bestellnummer V 775.
Zum Vergleich des konventionellen und biologischen Baumwollanbaus wurde mit den Schülern folgende Tabelle erarbeitet:
Arbeitsblatt 2

Tabelle 1: Öko- und Sozialbilanz zweier T-Shirts aus herkömmlichem und kontrolliert biologischem Anbau

herkömmliches T-Shirt
Maikaal-T-Shirt
Transport Kasachstan, Türkei, Taiwan, Polen, Frankreich, Bangladesch, Deutschland = 33 000 km Indien, Deutschland/Schweiz = 8 000 km
Baumwollanbau
Auswirkungen auf die Umgebung der Felder
  • Versalzung
  • Verringerung der Bodenfruchtbarkeit durch Einsatz von Dünge-, Pflanzen-schutz- und Entlaubungsmitteln
  • Verhindern einseitiger Beanspruchung des Bodens durch Fruchtwechsel und Mischkulturen
  • biologische Schädlingsbekämpfung
  • organische Düngung
Wasserverbrauch pro Kilogramm Baumwolle z.B. im Sudan 29 Kubikmeter Wasser überwiegend Regenbewässerung
Auswirkungen auf die Feldarbeiter und die einheimische Bevölkerung
  • Verseuchung des Trinkwassers durch Pflanzenschutzmittel und Entlaubungsmittel (Vergiftungserscheinungen)
  • Vertreibung der einheimischen Bevölke-rung durch großflächige Plantagen und Stauseen
  • 50-60 Arbeitsstunden pro Woche, nied-rige Löhne, Kinderarbeit
  • stärkere Handarbeit (Jäten, Kultivierung des Bodens, Ernte etc.)
  • mehr Geld (20% höhere Preise) da-durch Ausgleich der Ernteeinbußen
  • Einsparungen bei den Produktionskosten
  • langfristige Abnahmegarantien
  • Beratung durch Agrarberater
  • Mitspracherecht im gesamten Produktionsprozess

 
Die Beurteilung der Nachhaltigkeit des Maikaal-Projektes erfolgte am Beispiel eines konkreten Betriebes (Bauer Jirati). Von den oben genannten 7 Punkten konzentrierte ich mich in Unterricht auf Punkt 1 und 5 (vgl. Arbeitsblätter 3 und 4). In der Felderwechselwirtschaft und dem Anbau in Mischkulturen sehe ich den entscheidenden „Fortschritt“ des Projektes. Dies lässt sich gut in Kontrast setzen mit den endlosen Baumwollplantagen in Kasachstan, die den Schülerinnen aus einem Filmbeitrag über den Aralsee bekannt sind. Die soziale Absicherung der Familien durch den Mehrpreis und die langfristigen Abnahmegarantien ist sicherlich das Hauptargument für die Bauern zur Umstellung auf ökologischen Landbau.
Ergänzt habe ich die zwei Themenfelder durch wichtige Zusatzinformationen aus den anderen Unterpunkten. Die biologische Schädlingsbekämpfung sowie die organische Düngung ließen sich gut in das Thema Mischkultur einbauen. Den Aspekt der Regenbewässerung habe ich in Arbeitsblatt 2 eingebaut (vorbereitende Hausaufgabe).
Nach der Arbeitsphase der Schüler stellten diese ihre Ergebnisse der Klasse vor. Dabei wurde obige Tabelle ergänzt. Zur Visualisierung der unterschiedlichen Belastung bei einem konventionell bzw. biologisch hergestelltem T-Shirt packte ich mit den Schülern „Belastungsrucksäcke“. Pro T-Shirt wurde ein Rucksack mit Steinen bepackt, je nachdem wie viel belastende Faktoren bei der Herstellung entstehen. Der Gewichtsunterschied der beiden Rucksäcke war sehr deutlich.
Diese Visualisierung motivierte die anschließende Diskussion, in der die Frage erörtert wurde, warum nicht mehr Biobaumwolle in Deutschland verkauft wird. Selbstverständlich thematisierten wir dabei auch das eigene Konsumverhalten (auch das des Lehrers). Am Ende der zweistündigen Einheit stellten die Schüler Kriterien für einen nachhaltigen Kleiderkauf auf, wie z. B.:
Arbeitsblatt 3
Arbeitsblatt 4
Fortsetzung der Unterrichtseinheit:
Nach Besprechung des Maikaal-Projektes habe ich gemeinsam mit den Schülern untersucht, wo man in Deutschland Biobaumwolle kaufen kann (z.B. beim Otto-Versand oder bei den Ökoanbietern Waschbär und Hess Natur etc.). Außerdem wurde neben dem Anbau der Baumwolle die Situation in den Verarbeitungsbetrieben näher betrachtet. Zur Überleitung in das Themenfeld „Entwicklung und Industrialisierung“ schließt sich eine Behandlung des Themas „Indien: Zwischen Kinderarbeit und Hightech“ an  .
 

Ergänzende Materialien:

verwendete Literatur:

Jochen Barth, Februar 2001


Download der Arbeitsblätter (204 KB, Word 2000-Format als Zip-Datei)

zurück zur Seite: Nachhaltige Entwicklung im Erdkundeunterricht
zurück zur Startseite