Kuapa Kokoo in Ghana - Beispiel für fair gehandelten Kakao


Abb. 1: Fairetta Schokoriegel

Als Aufhänger für die Reihe in einer 10. Klasse dient die bevorstehende Einführung von fair gehandelten Schokoriegeln im Pausenverkauf der Schule. Der Kakao, der in den Schokoriegeln verarbeitet wird, stammt von der ghanaischen Genossenschaft Kuapa Kokoo (vgl. Abbildung 1).
Im Unterricht wurde daher zunächst die Entstehung der „unfairen“ Handelsbedingungen am Beispiel Ghana betrachtet. Zur Verdeutlichung der Ziele des fairen Handels wird anschließend verdeutlicht, wie mit der Gründung von Kuapa Kokoo der Versuch unternommen wurde, diese ungerechten Strukturen zu überwinden.

Kakao aus Ghana: ein Beispiel für „unfaire“ Handelsstrukturen
Die Betrachtung des Fallbeispiels Ghana zeigt deutlich die globalen Verflechtungen des Welthandel. Die Lebensbedingungen der Kakaobauern in der Ashantiregion Ghanas werden mitbestimmt durch Entscheidungen in Accra, New York und Brüssel. Dafür sind vier maßgebliche Gründe zu benennen:
1. Einfluss des Weltmarktpreises für Kakao auf die politische Stabilität Ghanas,
2. Ungünstige Veränderungen der „terms of trade“ im Entwicklungsland Ghana,
3. Korruption und Misswirtschaft verschlingen die Exporterlöse Ghanas,
4. EU erlaubt Verwendung von Ersatzstoffen für Kakaobutter.

1. Einfluss des Weltmarktpreises für Kakao auf die politische Stabilität Ghanas:
Über Jahrzehnte hinweg war Kakao das Hauptexportprodukt Ghanas. Bis 1989 betrug der Anteil am Gesamtexport über 50%. Obwohl dieser 1992 bis auf 30% zurückging, besitzt das Handelsgut Kakao nach wie vor eine herausragende Bedeutung für die Wirtschaft Ghanas (vgl. ILLBRUCK 1995: 35).
Schwankungen im Weltmarktpreis für Kakao wirken sich bei der Dominanz dieses Exportgutes direkt auf die Staatsfinanzen aus, zumal Ghana seinen Haushalt zu wesentlichen Teilen über die Besteuerung des Außenhandels finanziert hat.
Angespornt durch den Nachkriegsboom in der Kakaowirtschaft investierte Ghana in den 50er Jahren in ehrgeizige Infrastrukturprojekte (Verkehr, Bildung, Gesundheit). Langfristige Folgekosten (Personalkosten, Kredite) und ein erstes Absinken der Weltmarktpreise gegen Ende der 50er Jahre trieben die Staatsverschuldung in die Höhe.


Abb.2:  Entwicklung des Weltmarktpreises für Kakao 1960-1966 (Quelle: TransFair 1997: 14)

Die anschließende Berg- und Talfahrt des Kakaopreises (vgl. Abbildung 2) hatte direkte Auswirkungen auf die Stabilität der politischen Verhältnisse in Ghana. Während beispielsweise der enorme Anstieg der Weltmarktpreise seit 1971 die Inkompetenz, Korruption und Misswirtschaft der Machthaber in Accra verdeckte, trat dieser Sumpf mit dem Preisverfall Ende der 70er Jahre offen zu Tage. Eine rasche Folge von Militär- und Zivilregierungen bescherte dem einstmals blühenden Land einen „ökonomischen Niedergang ohnegleichen“ (THOMI 1986: 78).
Eine Stabilisierung der politischen Verhältnisse setzte 1981 durch den Staatsstreich J.J. Rawlings ein. Mit Unterstützung von IWF und Weltbank startete er 1983 das Economic Recovery Programm (ERP). Unter Beteiligung ausländischer Investoren wurde ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das die Abwertung der Landeswährung und eine Liberalisierung des Handels beinhaltete. Obwohl ein beachtliches Wirtschaftswachstum einsetzte, existiert kein allgemeiner Konsens über die Bewertung des IWF-Programms. Die wachsenden sozialen Differenzierung der Bevölkerung zählt zu den negativen Folgen der IWF-Maßnahme. Die großen Kakaobauern gehören dabei zu den privilegierten Bevölkerungsgruppen.
Um die Exporterlöse zur Finanzierung des ERP zu steigern, setzte die Regierung alles daran, die Kakaoproduktion auszuweiten. Die Produzentenpreise stiegen von 4000 Cedi pro Tonne im Jahr 1981 auf 700.000 Cedi im Jahr 1995 (1999: 1 US$ = 2560 Cedi). Dies entspricht einem Zuwachs von 17500%. Im gleichen Zeitraum nahm die Inflationsrate „nur“ um 6905% zu, so dass sich insgesamt die Situation der Kakaobauern verbessert hat (vgl. ILLBRUCK 1996: 37). Bedenkt man jedoch, dass im gleichen Zeitraum alle Subventionen für Benzin, Dünger, Insektizide und Pestizide gestrichen wurden und dass die Bauern in den 70er Jahren unter erheblichen Einkommensverlusten gelitten haben, so relativiert sich der Preisanstieg.
Hinzu kommt eine Benachteiligung Ghanas aufgrund der Veränderung der „terms of trade“, was vor allen Dingen den Kleinbauern große Probleme bereitet.

2. Ungünstige Veränderungen der „terms of trade“ im Entwicklungsland Ghana:


Abbildung 5: Ghanas Außenhandel differenziert nach Handelsgütern


Abbildung 4: Veränderung der „terms of trade“ (Quelle: REICHERT u. DESAI 1999: 38)

Laut FIEGE u.a. steht der Einkommenszuwachs für kleinbäuerliche Produzenten durch die Erhöhung der Produzentenpreise „häufig in keinem Verhältnis zu den gestiegenen Preisen für Produktionsmittel, lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen“ (FIEGE u.a. 1997). Die Preiserhöhungen für Werkzeuge (Macheten), Insektizide und Pestizide sowie für saisonal beschäftigte Arbeitskräfte verteuerten die Produktion. Abbildung 4 zeigt die Veränderungen der „terms of trade“ am Beispiel des Importproduktes LKW.
Für Ghana, das überwiegend Rohstoffe und landwirtschaftliche Erzeugnisse exportiert und Investitionsgüter importiert (vgl. Abbildung 3) bedeutet diese Verschiebung eine Verschlechterung der Handelsbilanz.
In Abbildung 4 ist der Exportpreis für Kakao zu Grunde gelegt. Dieser bestimmt jedoch nicht unmittelbar die beim Bauern ankommenden Produzentenpreise. Ein Großteil der Exporterlöse aus dem Kakaohandel verschwindet in den Händen des Staates.

3. Korruption und Misswirtschaft verschlingen die Exporterlöse Ghanas:
„Ghana liefert das klassische Beispiel, wie die Staatsklasse den Reichtum des Landes – Kakao – enteignete und verschleuderte, damit freilich auch den Ast absägte, auf dem sie selber saß“ (BÄNZINGER 1995: 49).
Bis 1993 existierte in Ghana ein staatliches Vermarktungsmonopol für Kakao. Der gesamte Handel wurde von der Vermarktungsbehörde Cocoa Marketing Board (COCOBOD) organisiert. Die Regierung hatte damit die Möglichkeit Zwischenhandelsgewinne abzuschöpfen, die für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verwendet werden sollten. Beispielsweise erhielten die Bauern 1986 lediglich 37% des Weltmarktpreises (DIAW 1995: 48). Der Rest blieb beim COCOBOD, der davon eine „aufgeblähte“ Bürokratie finanzierte: 1981 beschäftigte die Behörde für die Vermarktung von 220.000 Tonnen Kakao 105.800 Personen (BÄNZINGER 1995: 49). Selbst als die Weltmarktpreise für Kakao in dieser Zeit rapide zurück gingen, genehmigten sich die Beamten noch Gehaltserhöhungen. Die Führungsriege des COCOBOD lieferte zudem ein Musterbeispiel für Korruption: Sie verschoben mindestens 14 Millionen US$ auf Konten ins Ausland und investierten 23 Millionen US$ in eigene Privatfirmen. Ein Teil dieser Gelder war als Stipendien für die Kinder der Kakaobauern gedacht (vgl. DIAW 1995: 49f.).
Als J.J. Rawlings die Regierung übernahm, bekämpfte er die Korruption. Obwohl der COCOBOD neu organisiert wurde, konnte Rawlings zunächst nicht verhindern, dass sich die Bauern aufgrund der geringen Verdienste im Kakaogeschäft auf andere Produkte spezialisierten. 1983 hatte die Kakaoproduktion mit 160.000 Tonnen pro Jahr ein Tiefstand erreicht (1975: 400.000 Tonnen). Finanzielle Anreize durch das ERP führten bis 1992 zu einem An-stieg der Produktion auf 300.000 Tonnen (ILLBRUCK 1995: 35). Im Jahr 1998 produzierte Ghana 380.000 Tonnen Kakao (BARATTA 1999: 1141).

4. Neueste Meldung: EU erlaubt Verwendung von Ersatzstoffen für Kakaobutter:
 
Abb 5: EU erlaubt Kakao-Ersatz
Quelle: Mainzer Rhein-Zeitung, 26.05.00
Neben der Entwicklung an den Weltmarktbörsen und der politischen Situation in Ghana haben Entscheidungen der EU Einfluss auf die Kakaobauern in der Ashantiregion:
Seit Mai 2000 darf in allen EU-Ländern Kakaobutter in Schokolade durch andere, billigere tropische Pflanzenfette ersetzt werden. Bisher galt diese Regelung lediglich in Großbritannien, Irland und Dänemark. Finnland, Österreich, Schweden und Portugal erlaubten ebenfalls die Substitution und verstießen damit gegen EU-Recht.
Dadurch, dass die EU den Schokoladenherstellern in Zukunft in allen Mitgliedsstaaten das Ersetzen der Kakaobutter erlaubt (vgl. Abbildung 5), sinkt die Nachfrage nach Kakaobohnen . Nach Berechnungen der European Fair Trade Assoziation (EFTA) wird der Bedarf um bis zu 200.000 Tonnen zurückgehen. Sollte die USA dem EU-Beispiel folgen, ist ein Rückgang um 325.000 Tonnen zu befürchten. Das entspricht ungefähr 11% der Kakao Welternte. Die internationale Kakao-Organisation in London vermutet, dass allein durch die EU-Entscheidung die Einnahmen in den Produzentenländern um bis zu 20% zurückgehen (vgl. MAES 1998: 61).

Kuapa Kokoo: Hoffnung auf eine bessere Zukunft
1992 endete das staatliche Vermarktungsmonopol für Kakao in Ghana. Damit wurde der Weg frei für private Händler und Genossenschaften. Im April 1993 gründeten Bauern in Kumasi die Kuapa Kokoo Union (Kuapa Kokoo = Guter Kakao). Die Genossenschaft war die erste staatlich unabhängige Vereinigung, die sich um die gemeinschaftliche Vermarktung des Kakaos kümmerte. Die schnell wachsende Organisation besaß 1999 bereits 30.000 Mitglieder, die 17.400 Tonnen Kakao produzierten. Seit 1994 ist Kuapa Kokoo Partner im fairen Handel. 2% der Gesamtproduktion konnte die Genossenschaft 1999 über den fairen Handel vermarkten (vgl. TRANSFAIR 2000).
Die oben dargestellten „unfairen“ Handelsstrukturen sollen durch den fairen Handel überwunden werden:

1. Garantierte Mindestpreise reduzieren die Abhängigkeit von den starken Schwan-kungen der Weltmarktpreise:
Der Kakaoexport Ghanas läuft auch heute noch über die staatliche Cocoa Marketing Board (COCOBOD). Bei Exporten an den fairen Handel gibt es spezielle Vereinbarungen. Die Importorganisationen (z.B. die Gepa) zahlen dem COCOBOD den normalen Weltmarktpreis. Die Fair-Handels-Prämie von 150 US$ pro Tonne wird direkt auf das Konto von Kuapa Kokoo überwiesen. Liegt der Weltmarktpreis unter dem beim fairen Handel garantierten Mindestpreis von 1600 US$, zahlt die Importorganisation zusätzlich die Differenz an die Genossenschaft. Im Mai 2000 lag der Weltmarktpreis beispielsweise bei 850 US$ pro Tonne. Das würde bedeuten, dass Kuapa Kokoo derzeit für den im fairen Handel verkauften Kakao 900 US$ pro Tonne mehr einnimmt (150 US$ Prämie + 750 US$ Differenz zum Weltmarktpreis) (vgl. KLEIN 2000).

2. Die Selbstverwaltung der Genossenschaft soll Korruption verhindern:
Die 30.000 Mitglieder der Kuapa Kokoo Union sind in 182 Basiskooperativen zusammengeschlossen. Diese wählen Vertreter für die Regional- und Generalversammlungen der KKU. Die eigenverantwortlichen Entscheidungsstrukturen entsprechen dem Entwicklungscharakter des fairen Handels.
Über die Verwendung der Fair Trade-Prämien entscheidet das von den Bauern gewählte „KKU Trust Committee“. Von 1993-1999 flossen 1.522.934,92 DM an Prämiengeldern durch den fairen Handel an Kuapa Kokoo. Davon sind bisher 54% investiert worden. Der Rest liegt auf Treuhandkonten der KKU (vgl. KLEIN 2000). Mit 27% der Prämiengelder finanzierte die Genossenschaft den Aufbau der Vermarktung (z.B.: Kauf von Fahrzeugen und Waagen). Ein wichtiges Symbol für die Bauern war die Anschaffung von eigenen Waagen, da sie sich von den staatlichen Wiegestellen regelmäßig betrogen fühlten.
13% der Mehreinnahmen wurden als direkte Prämien in den Jahren 1997-99 an die Bauern gezahlt (insgesamt 200.996 DM). Damit garantiert die KKU allen 30.000 Mitgliedern einen Preis, der höher liegt als der aktuelle Marktpreis, der nach wie vor vom Staat festgelegt wird. Genaue Zahlen zum Mehrpreis liegen nicht vor. Etwas verwirrend sind die Angaben der unterschiedlichen Fair Trade-Organisationen. Nach Auskunft des österreichischen Importeurs EZA 3.Welt erhalten die Produzenten „um 15% höhere Preise als am lokalen Markt üblich“ (EZA 3.WELT 1999). Nach meinen Berechnungen handelt es sich bei dieser Zahl nicht um die direkten Prämienauszahlungen an die Mitglieder, sondern um die gesamten Mehreinnahmen aus dem fairen Handel, die an die Genossenschaft gezahlt werden.
Weitere knapp 14% der Fair Trade-Prämien wurden zur Bezahlung von Dienstleistungen für die Organisation (z.B.: Transport), für Projekte (z.B.: Brunnenbau, Frauenprojekt) und für Fortbildungsmaßnahmen der KKU-Angestellten verwendet. Insgesamt beschäftigte die Genossenschaft 68 Personen in Verwaltung, Transport, Management und Sozialarbeit. 1997 startete ein Pilotprojekt für organisch-biologischen Anbau (vgl. KLEIN 2000 u. EZA 3.WELT 1999).
Entscheidend für den Absatz der teureren, fair gehandelten Produkte ist das Vertrauen der Verbraucher. Die Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) führt regelmäßige Kontrollen bei der KKU durch, um einen Missbrauch von Fair-Handelsgeldern zu verhindern. Es wird trotz der umfangreichen Kontrollen immer wieder schwarze Schafe geben. Zu groß ist die Versuchung für die Beteiligten, sich persönlich zu bereichern.
Das ZDF-Magazin Frontal hat in einem Beitrag vom 16.5.00 versucht, am Beispiel der KKU solche Verfehlungen nachzuweisen (vgl. SCHNURBUS 2000). ZDF-Reporter entdeckten bei der Genossenschaft eine manipulierte Waage. Zudem will das ZDF-Team in Interviews mit Bauern festgestellt haben, dass die KKU den Erzeugern keine höheren Preise für den Kakao zahlt als die staatlichen Organisationen. Dies wird von den Fair Trade-Organisationen heftig bestritten. Selbst wenn die Vorwürfe von Frontal richtig sind, so darf man nicht den Fehler machen und wegen solcher Einzelfälle den gesamten fairen Handel in Frage stellen, wie dies im ZDF-Beitrag getan wurde. Außerdem hat sich der Bericht bewusst auf diejenigen Strukturen bei Kuapa Kokoo konzentriert, die angeblich nicht funktionieren. Gelungene Projekte (z.B.: neue Brunnen, Pilotprojekt zum ökologischen Landbau) fanden keine Erwähnung. Das Beispiel KKU zeigt, dass ein sinnvoll angelegtes Projekt durch Verfehlungen Einzelner und/oder durch unseriöse Berichterstattung sehr schnell in Misskredit gebracht werden kann.

Literatur

Jochen Barth, Juli 2001


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